Meet the alumni
Antonia Meile
Was machen eigentlich unsere ehemaligen Studierenden?
Von der Arbeit erzählt:
Antonia Meile – Regisseurin, Kamera- und Tonfrau
(Abschluss 2010)
Antonia, du arbeitest als selbständige Filmemacherin, Kamera- und Tonfrau. Ausserdem hast du erst kürzlich Nachwuchs bekommen! Wie schaffst du es, das alles unter einen Hut zu bringen?
Ich staple all meine Hüte einfach übereinander und setze immer mal wieder einen anderen zuoberst auf. Ich will mir die Freiheit nehmen, mich nicht festzulegen und will verschiedene Sachen ausprobieren. Mich interessieren im Film einfach mehrere Berufsbereiche. Deshalb habe ich parallel immer in unterschiedlichen Funktionen an verschiedenen Projekten (mit)gearbeitet. Der Fokus hat sich mit der Zeit auch immer wieder verändert. Aber meine Hauptbeschäftigung war immer die Regie.
Ich finde, dass mir das sehr viel bringt, wenn ich beispielsweise als Regisseurin weiss, wie es für den Ton- oder Kameramenschen ist, der mit mir auf dem Set steht. Einerseits bin ich dann gestalterisch aber auch planerisch und menschlich umsichtiger. Andererseits habe ich auch immer mal wieder kleinere Dokumentarfilme ganz alleine gedreht, weil es den Umständen so am besten gerecht wurde. Da bringt es mir viel, dass ich auch im Bereich Ton und Kamera einige Erfahrungen mitbringe.
Manche dokumentarische Auftragsfilme realisiere ich von A-Z alleine, da kann ich alle Facetten des Filmemachens ausleben.
Seit ich einen Sohn habe, ist die Zeit fürs Filmemachen natürlich knapper geworden, dafür bin ich auch viel konsequenter. Mein Freund und ich teilen uns die Zeit für unsere Arbeit bzw. mit unserem Sohn gleichmässig auf, da sind wir sehr strikt. So komme ich zurzeit doch noch 3 Tage in der Woche ins Atelier oder auf den Dreh. Seither habe ich mich nun mehr fokussiert und arbeite grad nicht mehr als Ton- oder Kamerafrau für andere Projekte, aber nach wie vor ab und zu in Personalunion an eigenen oder Auftragsfilmen. Aber das kann sich auch wieder ändern. Und die Tage mit meinem Kind verbringe ich viel draussen und mit Tätigkeiten, die sonst keinen Platz mehr in meinem Leben hatten. Jetzt bin ich viel ausgeglichener.
Ich sehe das so: Vorher habe ich alles parallel gemacht, jetzt mache ich mehr hintereinander.
An welchen Projekten arbeitest du momentan und gibt es bereits neue Projekte, die du angehen möchtest?
Gerade gestern habe ich eine Kurzfilmserie aus 5 Episoden für eine Wanderausstellung des Natur Museums Luzern fertig geschafft. Die Ausstellung über die Zauneidechse startet am 8. Juni 2020, die Filme drehen sich um Akteur*innen, die in ihren Berufen das Landschaftsbild und damit das Habitat der Zauneidechse beeinflussen.
Genau während der Corona Krise habe ich einen Dokumentarfilmkurs an der Hochschule Musik und einen Videoclipkurs an der PH gegeben und so herausgefunden, wie man Filme im Team aber über’s Internet machen kann. Natürlich nicht wirklich gut. Aber es geht. Ausserdem arbeite ich an einer Kurzfilmserie zum Jubiläum der Landeskirchen im Kanton Luzern. Der erste Film war über die Gassenarbeit, die unglaublich gute und wichtige soziale Arbeit leistet.
Kurz bevor mein Sohn vor eineinhalb Jahren zur Welt kam, habe ich meinen letzten Kurzfilm „Freundschaft mit einer Stadt“ fertig gemacht. Seither hatte ich zum ersten Mal kein eigenes Filmprojekt. Nun möchte ich wieder eines angehen. Einen Fernsehdokumentarfilm, der sich um das Leben mit / ohne Kinder dreht. Sehr sehr allgemein gefasst. Da stehe ich aber noch am Anfang in den ersten Recherchen.
Ich bin im Vorstand vom Verein Film Zentralschweiz, da stecke ich gerade auch recht viel Zeit in die filmpolitische Arbeit. Und wenn alles trotz der (Corona) Krise gut kommt, kann ich vielleicht schon bald als Auftrag eine Kurzfilmserie in verschiedenen Schweizer Botschaften rund um den Erdball realisieren.
Was für eine Rolle spielte das Bachelor Studium in Video/Film an der HSLU auf deinem Weg in die Filmbranche?
Mit dem Videostudium habe ich begonnen, weil die Arbeit an einem Film erstens so unglaublich vielseitig ist in all seinen Gestaltungsebenen und im Produktionsablauf, zweitens weil ich mich mit jedem Film in eine andere Geschichte vertiefen kann und neue Leute mit allen möglichen Hintergründen kennenlerne und drittens, weil ich Filmemachen auch als eine politische Handlung verstehe, mit der ich ein Thema oder eine Haltung transportieren und so meinen Beitrag zu einer Debatte geben kann.
Deshalb war es für mich wichtig, dass wir im Studium einerseits eine gute Basis in allen Bereichen der Filmproduktion kennenlernten. Das hat mir viel geholfen, um mich anschliessend in verschiedenen Bereichen zu vertiefen. Andererseits konnten wir in den drei Jahren mehrere Kurzfilme realisieren, also immer wieder von Neuem ausprobieren, egal wie der Film am Schluss aussah. Sehr bleibende Momente waren auch die Gastdozenten, also die unabhängigen Filmregiesseur*innen, die immer mal wieder für ein paar Stunden an die Schule kamen. Davon habe ich sehr viel mitgenommen.
In der Bachelorzeit habe ich aber auch viele Leute kennengelernt, mit denen ich jetzt noch zusammenarbeite und mit einigen auch das Atelier teile. Da ich mich als selbständige Filmemacherin ständig selber organisieren und disziplinieren muss und ich oft so persönlich nah an meinen Themen bin, ist es für mich zudem unglaublich wichtig, Leute um mich zu haben, die sich mit denselben Herausforderung herumschlagen und mit denen ich mich inhaltlich austauschen kann.
Wie hast du dich direkt nach dem Studium organisiert, um eine Karriere in der Filmbranche anzustreben?
Schon während dem Studium habe ich ein Praktikum und kleine Auftragsarbeiten gemacht oder für den Studiengang Bänder herausgespielt und bei der Digitalisierung des Archivs geholfen. Nach dem Studium konnte ich drei Jahre Teilzeit als Assistentin in der Studienrichtung arbeiten. Das gab mir finanzielle Sorgenlosigkeit, ich konnte an der Schule weiter sehr viel lernen von den Dozenten, den Studierenden und vom Prozess der Filmproduktion und hatte gleichzeitig genügend Zeit, um meine eigenen Kurzfilme aufzugleisen.
Für meine theoretische Bachelorarbeit führte ich ein Gespräch mit Sabine Gisiger und setzte mich mit ihren Filmen auseinander. Sie war auch in der Jury unserer Abschlussfilme. Ein Jahr nach meinem Abschluss hat sie mich an einen Produzenten empfohlen und so bekam ich die Chance, meinen Fernsehdokumentarfilm „Leben für die Kunst“ für die Sternstunde Kunst zu realisieren. Daran habe ich über drei Jahre gearbeitet. Danach habe ich mehrere Kurzfilme gemacht, war im Ausland und auf der Alp, ab und zu gebe ich Filmkurse, was ich auch sehr gerne mache. Ich habe immer nur gemacht, was mich interessiert hat. Auch später, als es mir irgendwie passierte, dass ich für Auftragsfilme angefragt wurde. Da habe ich konsequent nur angenommen, was ich eine gute spannende Sache fand, die mich in irgendeiner Form herausfordert. Inzwischen werde ich fast nur noch von Auftraggeber*innen angefragt, für die ich auch Lust habe zu arbeiten.
Gibt es etwas was du den angehenden Filmemacher*innen der HSLU auf den Weg geben möchtest?
Für mich selbst habe ich dieses Credo entwickelt: Versuche so wenig Geld zu brauchen, um so unabhängig wie möglich zu bleiben. Wenn dich ein Projekt interessiert, dann mach es oder arbeite mit, auch wenn du dabei vielleicht nichts oder nur sehr wenig verdienst. Aus jedem Projekt entsteht wieder neue Gelegenheiten. Mach aber umgekehrt wenn immer möglich keine Projekte, bei denen du vielleicht gut verdienst, die dich aber nicht wirklich interessieren. Ein Film zu machen braucht viel zu lange, um die Zeit zu verschwenden. Falls du eine Frau bist, lass dir von niemandem das Gefühl geben, du könnest es weniger gut. Falls du Kinder haben möchtest, lass dir von niemandem sagen, es lasse sich nicht mit Filmemachen vereinbaren. Und nutze deine Filme als Plattform, um dir wichtigen Anliegen Gehör zu verschaffen.